Samstag, 23. März 2013

Kompliziert Schimpfen leicht gemacht

Die ham doch nen Knall! Samstag morgen anfangen zu Bohren! Samstag morgen möchte ich bitte in Ruhe gelassen werden, egal ob ich krank bin oder verkatert! Ihr...! 
Beim Versuch, ein geeignetes Schimpfwort zu finden, gerate ich in Gedankenstocken, was besonders in einem Moment des Fluchbedürfnisses kein schönes Gefühl ist. Fluchen ist ein Grundbedürfnis, es ist elementar! Ich möchte nicht wissen, wie viele automatisierte, zur strebsamen Hektik gezwungene Robotermenschen einfach einen Kurzschluss bekämen, könnten sie aus irgendeinem Grund ihrem Ärger plötzlich keine Luft mehr verschaffen. Oder doch? Wenn ich so darüber nachdenke, finde ich die Idee eigentlich ziemlich lustig. Auf dem Weg zur Arbeit, ein Blick auf die Uhr, "VERDA"...TZACK..piu...kkkrrrrrrccchhhh.. sie laufen noch ein bisschen weiter und bleiben schließlich mit leerem Blick auf der Straße stehen. Bis die wieder in Gang gesetzt sind, das dauert!
Könnte das potentielle Unvermögen zu Fluchen letztendlich sogar dem Widerstand gegen den Kapitalismus dienen? Das würde meinem ursprünglichen Gedanken ja ziemlich im Wege stehen, "VERDA!...mmt?"...puh, nix passiert.
Andererseits...auch die kleinen Sand-ins-Getriebe-Menschen wären so in ihrem Handeln ziemlich eingeschränkt. Ist ersteinmal das Bewusstsein  erlangt, was denn in dieser Welt so alles schiefhängt, ist es leider sehr schwierig, aus dem Ärgern über eigentlich fast Alles wieder hinauszukommen. Ordentlich Fluchen muss da schon sein, sonst können wir das mit dem Protest gleich völlig vergessen. Und wie ich ja schon sagte, Fluchen ist ein Grundbedürfnis, es ist wichtig (wenn zugegebendermaßen auch nicht ganz so bedeutend wie die für Millionen von Menschen nicht verfügbaren Grundbedürfnisse nach Wasser, Nahrung und Schutz!). Wenn einige Menschen diese Fähigkeit zu Fluchen selbstkasteiisch nicht in Anspruch nehmen, sei es aus religiösen oder sittlichen Gründen, ist ihnen natürlich auch nicht zu helfen. Ich kann sie dann nur bedauern, verwundert den Kopf schütteln und schimpfend meines Weges gehen.
Allerdings ist das Fluchen für einen gedanklich wachen Menschen kein einfaches Unterfangen, was mir besagtes Gedankenstocken überhaupt erst einbrachte. Das Schimpfen richtet sich oft gegen eine bestimmte Person, die mit einem verunglimpfenden Wortschwall überschüttet werden soll. Dabei sind starke Emotionen vorhanden, die ein schnelles Handeln erfordern, was zu Unachtsamkeit hinsichtlich der Wortwahl führen kann. Es gibt ein bestimmtes, gesellschaftlich geprägtes Repertoire an Ausdrücken, von denen jeweils die scheinbar passenden ausgewählt und dem Gegenüber oder der ärgerlichen Tatsache an sich an den Kopf geschleudert werden. Die besonderen, in diesem Moment ärgerlichen Tatsachen nicht mit allgemeinen Vorurteilen über eine bestimmte Personengruppe zu vermischen, ist eine Leistung, an der die gesellschaftliche Prägung leider grandios scheitert...wer hätte das gedacht?
Allein schon, jemanden als "Depp", "Idiot" oder, verstärkt, "Vollidiot" zu bezeichnen, kann bei näherer Betrachtung nicht befriedigend sein, denn sie suggeriert, dass weniger intelligente Menschen schlechter seien als mit flexiblem Denken ausgestattete. Ähnlich verhält es sich mit "Penner"...Neben ganz offensichtlich rassistischen, menschenverachtenden und sexistischen Ausdrücken, die ich an dieser Stelle nicht erwähne, ist auch das negative "dämlich" und das postive "herrlich" alles andere als emanzipatorisch, ganz zu schweigen von der unglaublich gebräuchlichen Redewendung "den Arsch offen haben", die verdammt homophob ist, was mir erstaunlich spät klargeworden ist. Ich hoffe, der Ursprung des wunderbaren Ausdrucks "Arschloch!" hat damit rein gar nichts zu tun, sonst droht bei mir wahrscheinlich auch bald ein Kurzschluss. 
"Schwein"? Hm, ich esse Schweine, und auch andere Viecher nicht, weil ich sie als fühlende, intelligente Lebewesen betrachte, und trotzdem diffamiere ich sie regelmäßig verbal. Oh oh, so betrachtet sehr speziezistisch, eigentlich...
Übrigens, selbstredend, warum "schwul" oder "behindert" in weiten Kreisen der Bevölkerung als adäquate Adjektive gelten, um eine negative Tatsache zu betonen, geht auch nicht in meinen Kopf, verdammt! ...verdammt? Das hat doch irgendwas mit Teufel, Gott und Religion zu tun? Davon darf ich mich jetzt nicht beeindrucken lassen, verdammte Scheiße!...Ja, Scheiße, du bist zwar auch nur ein wertvoller, notwendiger Teil unseres Verdauungs- und damit Lebensvorganges, aber bitte, irgendwas muss mir doch noch bleiben! Shitige Dreckskacke! Die merkts wenigstens nicht, wenn ich sie beleidige.
Was bleibt noch zu sagen...mein Ärger ist verraucht, an seine Stelle ist Grübeln getreten. Ich weiß, ich bin eine schreckliche Spielverderberin. Aber irgendwie macht das auch Spaß. Was gibt es schöneres, als sich neue, menschenfreundliche trotz menschenfeinliche Schimpfwörter ausdenken...und bis mir die einfallen, immer dran denken: "Sexistische Kackscheiße" ist einer der schönsten Ausdrücke, die ich kenne. Nur eben leider nicht auf Menschen anzuwenden, die mich morgens mit Gebohre aus dem Schlaf reißen. Die sind einfach nur......!!!

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