Sonntag, 14. April 2013

Junge oder Mädchen?

Anlässlich des 1. Geburtstages eines hochgeschätzten Menschens begebe ich mich in eine für mich relativ fremde Welt, die Welt der Spielzeuge, bunten Sachen, Mini-Klamotten, Bücher mit vielen Bildern und wenig Schrift. Eine Welt, die mir vertraut war und nun fremd geworden ist. Ich suche, auf Anregung, nach Küchenspielzeug. Ich lasse mich beraten und so überfällt mich der fremden Umgebung alsbald eine leider sehr vertraute Haltung. 
"Ja, das hier ist ganz toll. Das sieht sehr echt aus, das ist Ihnen wichtig, und mit dem kleinen Töpfchen kann Sie dann nachmachen, was sie bei ihrer Mutter sieht."
Aha. Was Sie bei ihrer Mutter sieht. Der Fall scheint klar zu sein. Kleine Töpfe und Holzgemüse, das muss für ein Mädchen sein. Und in der Küche steht sicherlich die Mutter. Wenn ich gefragt hätte, was ich denn einem einjährigen Kind schenken könnte, wäre die Antwort sicherlich "Junge oder Mädchen?" gewesen. 
Wenn so ein frischer Mensch bereits permanent mit einem solch binären und festgelegten Denkmuster beschallt wird, wie soll er sich denn daraus vernünftig befreien können? Ich denke, mit 26 Jahren, nun sehr viel über diese Sache nach und weiß, dass ich weit davon entfernt bin, vernünfig beurteilen zu können, ob ich tue, was ich tue, weil ich es will, oder weil ich es so gelernt habe. Rasiere ich mir die Beine, weil ich es tatsächlich schöner finde? Habe ich lange Haare, weil sie mir besser stehen? Wenigstens die Frage, warum ich nicht einfach mein T-Shirt ausziehe, ist klar. Ich würde mich ausgesaugt fühlen, von den Blicken. Deshalb habe ich mich, als mir meine Brüste gewachsen sind, zunächst widerwillig dafür entschieden, nun doch ein Mädchen zu sein. Zuvor wäre ich sehr gerne ein Junge gewesen. Vielleicht war ich einer. Vielleicht bin ich jetzt gar keine Frau. Ich dachte, ich müsste mich entscheiden, weil die Gesellschaft denkt, ich müsste mich entscheiden. 
Lieber N., vielleicht hast du mal die Freiheit, zu entscheiden, wer du sein willst, nicht was. Ich werde versuchen, dir dabei zu helfen. Wenn du ein Junge sein willst, freue ich mich, wenn du ein Mädchen sein willst, auch, und wenn du jemand ganz anderes sein willst, genauso sehr. Wenn du möchtest, werde ich dir helfen, dir Flügel zu basteln, und hoffe, dass sie dich durch ein selbstbestimmtes Leben tragen. Zurzeit scheinst du ein kleiner Junge zu sein, der sich ziemlich darüber gefreut hat, mit Holzgemüse um sich zu werfen. Das ist ok, ich hätte auch mehr Lust, Tomaten zu werfen, als sie zu kochen. Aber vielleicht bringst du mir genau das eines Tages bei?

1 Kommentar:

  1. Liebe J.,
    danke für Dein Holzgemüse, ich liebe es damit den Parkettboden zu zerstören und ab und zu ein Stück abzubeißen. Kochen tue ich gerade lieber Mini-Whiskas Dosen und Mini-Maggie-Dosen und Mini-Senftuben - natürlich alles in Deinem Topf.
    Deinen Text versteh ich nicht so ganz, weil bei uns immer der Pap kocht, die Mam kann das glaub ich gar nicht. Trotzdem klingt Dein Text ziemlich intellent und ich bin froh, dass ich so eine schlaue Tatenpante hab!
    Dein N.

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